10 vor 11 vom 13.02.2006
Astronomie und Revolution
Hölderlin und der französische Revolutionskalender
Zum Ende des 18. Jahrhunderts entsteht in Europa eine Rasanz der Zeit. Industrielle und politische Revolution erscheinen am Horizont. Wo bleiben die alten Götter? Dies ist die Welt, der sich Friedrich Hölderlin gegenübersieht. Als Student im Tübinger Stift, auf einer Studierendenstube mit Hegel und Schelling, nimmt er an diesem UMBRUCH DER ZEITEN mit seiner ganzen Fantasie teil. Die Zeitenwende dokumentiert sich auch im neuen französischen Revolutionskalender. Das Jahr 1 beginnt mit dem Tag der Schlacht von Valmy. Die Monate sind nach den Jahreszeiten benannt. In Kolonnen von je 10 Tagen (an jedem 10. Tag ein Fest) tritt die neue Zeit heran. Die Dekade ersetzt die siebentägige Woche. Mit eindrucksstarken, hymnischen und poetischen Texten nimmt Hölderlin am rasanten Fortschritt der Zeit ebenso teil, wie er mit seiner Seele 3.000 Jahre nach rückwärts nach dem Überleben der Götter und der "wahren Zeiten" sucht. Gemeinsamer Nenner von neuer Zeit und uraltem Kosmos sind die Gestirne, die die Astronomie erforscht. Sie diktieren den eigentlichen Kalender.
Prof. Dr. Alexander Honold, Universität Basel, über sein eindrucksvolles Buch "Hölderlins Kalender / Astronomie und Revolution um 1800", Verlag VORWERK, Berlin.